Mann verpasst Ende des Anti Diät Tages und stirbt wegen Übergewicht -Am Tag der offenen Tür Schlüssel zum öffnen vergessen - GNTM Siegerin im Gulli verschwunden - Rote Kleidung nur noch bei Sonnenaufgang tragbar

Samstag, 31. Juli 2010

Art of Love 3 - Albert - 1

Albert – 1

Wenn ich auf meinen Leben zurückblicke, seh ich viel positives. Und ich hab vieles positives bewirkt, für mich, meiner Familie und meiner Stadt. Ich liebe Duisburg, auch wenn es hart es. Nachdem die ganze Stahlproduktion fast vollkommen zum erliegen gekommen ist, versuche ich mit harten Maßnahmen noch zu retten was retten ist. Ich schaue zurück auf eine goldene Vergangenheit und seh den Rost an den Fabriken für die Zukunft. Doch was nutzt es, sich darüber Gedanken zu machen, was war? Ich genieße diesen wunderbaren Tag in meinen schönen Garten, mit meiner lieben Frau Gaby. Ich genieße den Tag. Ich kann ruhig schlafen, ruhig träumen. Zu diesen Zeitpunkt wusste ich noch nicht, das ich eine lange Zeit nicht mehr schlafen werde, von den Träumen ganz zu schweigen. Ich hab Ziele, ich will mehr als das was ich bisher erreicht hab. Und ich werde es auch schaffen. Viele haben mich gewarnt, das Projekt ist zu groß für dich. Aber ich habs allen gezeigt, ich hab das Projekt Loveparade zu uns nach Duisburg geholt. Duisburg im Rampenlicht, schön und hell, strahlende Zukunft. Junge Menschen tanzen in meiner wunderbaren Stadt, sie sollen auch das sehen was ich immer schon gesehen habe. Duisburg lebt, und danach wird es aufblühen. Für einen Tag lang wird Duisburg das schlagende Herz für Deutschland sein. Und ich alleine hab es geschafft, das wir es unseren Bürgern zeigen können. Ich atme tief aus... lehn mich weiter zurück in meinen Lieblingsstuhl auf meiner Veranda. Meine Frau Gaby neben mir, wieder an irgendwelchen Sudoko-Rätseln am lösen. Ich habe das auch ein paar mal versucht, aber das ist nichts für mich, Zahlen waren irgendwie noch nie so mein Fall. Ich genieße immer noch meine Frau, ich möchte nicht sagen das ich noch so verliebt bin wie am ersten Tag, aber ich liebe sie. Sie schenkte mir 2 wundervolle Kinder, für die würde ich alles tun. Und das auch mit Erfolg. Ich hab doch einige Neider in meinen Reihen, die mir diesen Erfolg nicht wirklich gönnen – aber, darüber schaue ich hinweg. Denn nur ich, nur ich Albert verfüge wirklich über die Macht. Und meine Kinder werden in einer pulsierenden Stadt aufwachsen, die ich so forme wie ich es mag. Das Polster meiner Gartengarnitur ist auch hin, das merke ich an meinen immer älter werdenden Hintern. Ich spüre Holz direkt an meinen Hintern, etwas unangenehm. Eigentlich müssten wir zum Baumarkt und uns neue besorgen, aber nach all den Stress in den letzten Wochen tut es einfach mal gut, aus zuspannen – auch wenn mein Hintern schon nach wenigen Minuten anderer Meinung ist. Ich bewege meinen Hintern hin und her und versuche so zu verdrängen, das mein Hintern zu sehr schmerzt. Meine Frau bemerkt das nie, wenn ich mich mal unwohl fühle. Wenn die einmal in ihren Sudoko Rätseln vertieft ist, könnte man unsere Kinder vom Hof klauen und sie würde es nicht mal bemerken. Aber sei ihr mal gegönnt, schließlich war sie die meiste Zeit für unsere Kinder da, nicht ich. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt meine Karriere zu verfolgen – und es gab mir Recht, mich darauf zu konzentrieren. Bürgermeister zu werden in einer großen Stadt schafft nicht jeder, ich könnte Stolz auf mich sein. Jetzt fehlt nur noch das Denkmal für mich, das wird die Loveparade sein. Damit würde ich der Bürgermeister der Herzen. Der Bürgermeister auf den die Duisburger stolz wären. Einen, auf den selbst meine Kinder aufschauen können, das können sie nicht immer. Aber sie finden es „cool“ das ich die Loveparade nach Duisburg hol. Ich hoffe zwar nicht, das sie hingehen, weil ich doch häufiger von Drogen und Alkohol gehört hab, aber nun ja, glaub verhindern könnte ich das nicht. Ich finde sie mit 16 und gerade mal 18 Jahren noch zu jung für sowas. Besonders für sowas gewaltigen. Aber sie werden hingehen, bestimmt werden sie hingehen. Sie werden Freude und Spass haben und sie werden einen „coolen“ Vater haben. Den Big Boss. Ich werde immer in Erinnerung der Duisburger bleiben, der Mann der Glück nach Duisburg brachte.


Das Erinnerungen nicht nur positiv sein können, wird dieser Mann in naher Zukunft an seiner eigenen Haut zu spüren bekommen. Meist bleiben die negativen Erinnerungen mehr an einen haften, saugen den Körper die Energie aus, rauben einen den Schlaf, die Kraft. Sie zerstören einen innerlich. Viele werden es nie schaffen, die Erinnerungen in Zaum zu halten, sie werden immer wieder kommen. Negative Erinnerungen zerstören, hinterlassen nur eine Wüste. Negative Erinnerungen zerstören ganze Familien, ganze Leben- sogar ganze Völker. Sie bestimmen was man aus der Zukunft noch machen kann, oder auch nicht mehr schafft. Sie machen einen zu einen anderen Menschen. Einen vorsichtigen Menschen, einen zu vorsichtigen Menschen der keine Entscheidungen mehr treffen kann. Nicht vor – nicht zurück. Sie rauben uns einfach alles. Viele Menschen zerbrechen total an schlechten Erinnerungen. Auf vielen Grabsteinen steht ein „Warum?“ geschrieben...meist können wir nichts dagegen unternehmen, manchmal wollen wir einfach nichts dagegen unternehmen. Jeder hat selbst sein kleines Monster im Kopf, seine eigenen schlechten Erinnerungen. Sei es eine Vergewaltigung, sei es eine Sicht auf einen toten Menschen oder auch nur eine zerflossen Liebe die gescheitert ist. Alles ist irgendwo vergänglich, nur die Erinnerungen nehmen wir mit. Leider halt meist die schlechten... Ruhelos werden wir, Schlaflos...

Viele Menschen sehen meist nur einen Weg, den Weg in die Dunkelheit. Das Ende...


Meine Kinder, ich bin stolz auf sie. Sie noch nicht auf mich, aber das werden sie eines Tages, schon sehr bald. Ich greife mir meine Zeitung, ich hab sie heute nicht zu lesen bekommen, schlecht geschlafen, lange Diskussionen mit meiner Frau Gaby. Streit würde ich es nicht nennen, doch hin und wieder haben auch wir mal was zu besprechen. So ging es heute darum, das die Kinder bald auf eigene Füße stehen sollten. Ich finde das noch zu früh. Ich bin auch erst im Alter über 20 aus meinen Elternhaus ausgezogen. Aber Gaby meint immer, sie wären alt genug dafür, besonders weil wir sie auch finanziell unterstützen könnten. Früher wars meinen Eltern nicht vergönnt mich groß zu unterstützen. Sie waren nicht arm, nein, Gott bewahre. Aber auch nicht reich. Besonders haben sie nie verstanden, warum ich nicht früher mal arbeiten gegangen bin. Ich war der typische Karriere-Student-Typ. Kaum Frauen, dafür war keine Zeit. Und heute blicke ich mit ein wenig Wehmut zurück, was ich im jungen Alter hätte tun können. Aber so ganz unglücklich bin ja nicht, ich hab ja meine Gaby. Obwohl Gaby nie meine Traumfrau gewesen ist. War reiner Zufall, und eher war es die Angst vorm Alleine-Bleiben in der Zukunft. Das wir noch 2 Kinder zeugten, grenzte auch eher an ein Zufall. Es sind keine Kinder der Liebe, sondern eher Produkte unserer Geilheit gewesen. Und Ehepaare haben nun mal hin und wieder Sex, so wie wir, damals. Heute eher kaum. Da reizen mich ganz andere Dinge. Aber ich bin ihr dennoch immer treu geblieben. Geküsst schon, damals, zu Karneval. Aber das ist auch schon länger her. Was ich mache und tue hat alles Hand und Fuß. Man muss das Leben berechnen, dann funktioniert das auch. Für mich ist das Leben kalkulierbar, man nehme Zutat A plus Zutat B und zack hat man Leben XY – so einfach ist die Lebensformel. Wieso sollte ich dann ein Umweg gehen? Nein, geradlinig muss man im Leben sein, so wie ich. Und heute bin ich Oberbürgermeister von Duisburg. Das hat doch was! Ich sag ja, das Leben ist planbar, die Ziele sind planbar...Ganz einfache Rechenschemas muss man dafür nur einsetzen.


Das Leben ist selten planbar. Auch Rechenformeln anzuwenden nutzt da wenig – auch das wird unser Herr Oberbürgermeister noch lernen. Es gibt nicht nur Zutat A und Zutat B – sondern auch Zutat C und D und so weiter. Es gibt unendlich viele Zutaten, und viele Köche verderben den Brei. Leben ist nicht planbar. Planbar aber schon, wann Leben enden. Das schon eher. Man kann Katastrophen im Vorfeld berechnen, im Vorfeld kann man sagen: Das wird knapp. Man kann über rote Ampeln fahren, man muss aber nicht. Plan A heißt drüber fahren, Plan B heißt warten – die sichere Variante. Doch wenn Plan A noch mit Erfolg prahlt, mit Druck von den Massen – würden nicht viele Plan A nehmen? Das über Rot fahren? Das Risiko eingehen? Menschenleben aufs Spiel zu setzen nur um schneller ans Ziel zu kommen? Die Unsterblichkeit zu erlangen? Wartet so ein Mensch auf Grün? Es sind zu viele Fragen die nur einige wenige beantworten könnten, Albert könnte es, tut es aber nie. Er hat zu viel gutes für die Welt getan, zu viel gutes für die Bürger- Bescheidenheit ist nie seine Stärke gewesen , und wird es auch nie sein. Ein Mann – 21 Leben- verfluchte 21 Leben. Zu große und gefährliche Kreuzung um über Rot zu fahren. Mein Beispiel hinkt... Plan A heißt eher, mit einen Bus über Rot zu fahren, Plan B auf Grün zu warten. Würden wir dann dennoch Plan A nehmen, wenn nicht nur wir am Steuer sitzen? Würden wir das Risiko eingehen? Ich denke, nun ist die Entscheidung leichter zu Grün zu tendieren. Man fährt meistens vorsichtiger, wenn es nicht nur um sich selber geht. Man fährt nicht alleine, man nimmt wen mit. Unser Mann hat wahrlich Rot gesehen... Plan A... Der Plan der scheitern musste- Plan A die Rotphase- Augen zu und durch.

Ich zücke meine Brille wieder an ihren rechten Platz, ist auch so eine Eigenart an mir...wie bei so vielen Menschen. Man weiß genau, das die Brille noch dort ist – genau auf der Nase, aber dennoch muss man sie gerade rücken. Das liegt einen einfach im Blut. Auch das ich mich ständig dabei erwische, das mir in meinen leichten Bartwuchs streiche, meistens wenn ich überlegen muss---so wie gerade, als ich meine Zeitung umgeblättert hab. Immer diese Nörgler, denk ich mir. Diese Neider, die Giftschlangen – wollen alle Karriere machen und schreiben mir vor, was ich machen darf und was nicht. Schließlich bin ich doch der Bürgermeister, und nicht die. Schwarz auf Weiß steht da, das führende Wissenschaftler die Loveparade in Duisburg als Sicherheitsrisiko sehen. Die ticken wohl nicht mehr. Das wird mein Denkmal der Stadt! Ich hab sie zu uns geholt und wir werden sie veranstalten, und es wird ein grandioses Fest werden, so eines das Duisburg noch nie erlebt hat und wohl auch nie erleben wird.


Wie Recht er doch bald hat... Das wird uns noch lange in Erinnerung bleiben, es wird uns regelrecht ein brennen ins Gedächtnis. Und dann kommen sie wieder, die schlaflosen Nächte, die traumlosen Nächte... der Blick ins Leer, der Blick in Leere Augen, Schreie die einen nachts verfolgen. So etwas wird eine Stadt sicherlich nicht noch mal erleben, oder wir hoffen es? Viele gehen ja über Rot... nicht nur er. Viele. Augen zu, und durch – das wird schon werden.


Das wird mein Fest in Duisburg, meins, ganz alleine ich streiche den Ruhm ein. Ich rechne mit einen Besucherrekord, und das in Duisburg. Dann wird nicht mehr über Berlin diskutiert, oder Essen, oder Dortmund – nein, Duisburg die Rekordstadt. Der Veranstalter hat mir ja schließlich auch versichert, das wird alles werden. Das wird nen Rekord. Das Gelände ist Top. Wären da bloß nicht all diese Genehmigungen und Regeln, das klappt schon. Sie werden es alle noch sehen und erleben. Das größte Fest der Liebe. Und nun kommen irgendwelche Deppen daher, und sagen sie haben Bedenken. Sie haben sich doch alle gefreut, das so was ins Ruhrgebiet kommt, und Duisburg braucht das, und schafft das auch. Das wird eine neue Ära der Loveparade einläuten. Meine Frau ist immer noch bei ihren Sudoko – sie merkt gar nicht das ich ein wenig schwitze über diesen blöden Artikel in der Zeitung. Ich wisch mir meinen Schweiß von der Stirn. Leichte Perlen haben sich auf meiner Stirn abgesetzt, die ich mit meiner Hand nun entferne. Ich war erst gestern noch mit den Veranstalter beim Essen. Ein netter Mann, er weiß was er will, und wir wissen beide, es wird super schön werden. Ich hab da keine Bedenken, Rüdiger auch nicht. Rüdiger so heißt er, der Veranstalter des Ganzen. Bei einer Flasche Wein versicherter er mir, es wird alles glatt laufen, alles schön werden. Wieso auch nicht? Es ist alles perfekt. Millionen kommen, Millionen werden investiert – das muss klappen. Ist es alles kalkulierbar, auch das. Rüdiger kümmert sich um den Rest, das mit den Ordner. Und ich hab mein Personal, die machen das schon. Die kriegen das hin. Alles kompetente Leute die ich Jahrzehnte schon kenne, mit denen ich abends auch mal was trinken gehe oder Golf spiele. Meine Frau mag keinen Golf, sie bleibt meist eher daheim und rätselt. Jeden das Seine, hab ich wenigstens mal Ruhe vor der Familie. Obwohl ich mich darüber nicht beklagen kann. Bin ja selten da. Mike und Martin seh ich auch selten. Meine Kinder. Ihr wißt doch, ich habe zwei. Manchmal ist mir das auch schon zu viel Verantwortung. Ich wollte ja keine Kinder, nur meine Gaby. Aber nun liebe ich sie. Mike kam erst letztens an, und präsentierte mir Tanja. Seine neue Perle, wie er zu sagen pflegt. Nettes Mädchen. Aber das hält nicht lange. Dafür werd ich sorgen. Ist nicht aus unseren Bezirk. Vater arbeitslos, ich hab mal recheriert. Sie höchstens Hauptschule, ist nichts für uns. Aber das wird Mike auch schon merken, und wenn nicht, werde ich ihn hindeuten. Noch lasse ich ihn ja. Soll er sich bisschen austoben. Er wird schon früh genug werden, das es nichts ist. Klar, unser Mike ist auch unser Sorgenkind. Zu faul für die Schule. Wir sind ja froh, wenn der mal seine mittlere Reife schafft. Kommt nicht nach mir. Gar nicht. Der wird vielleicht irgendwann einmal auch am Tisch sitzen und Sudoko-Rätsel ausfüllen. Man hat halt nicht immer die Chance, die Richtungen seiner Kinder zu bestimmen. Außerdem bin ich viel zu viel mit meiner Karriere zu Gange. Vielleicht in 5-6 Jahren wenn ich mich zur Ruhe setze, werde ich mich mehr und mehr um meine Familie kümmern. Aber zur Zeit, kümmere ich erst mal um mich. Das tut auch der Familie gut. Sie werden es mir eines Tages danken. Besonders Mike. So lange er nicht die Tanja schwängert ist mir alles Recht. Nettes Mädchen, sagte ich ja. Aber nichts für uns. „Sie sei seine Liebe seines Lebens“ - ja bestimmt, für den Sommer. Ein Sommermärchen vielleicht. Das vergeht wieder. Hoffe ich. Das Telefon schrillt, ich hasse es, wenn die Ruhe zerstört wird. Anrufe bedeuten meist Stress und Ärger. Besonders in meiner Position. Da kann man nicht mal den Samstag genießen. Nicht mal das. Es ist Samstag, der 17 Juli, eine Woche vor meinen Denkmal, und nun kommen sie alle an, mit ihren Bedenken. Klar gab es hin und wieder Diskussionen drüber. Aber alle Mund tot gemacht. Polizei, Führerwehr, Ordner. Alles da. Alles klappt. Das Telefonat war anstrengend, ich mag so was nicht. Der Chef der Polizei mag noch mal in Ruhe mit mir Reden, das klappt so alles nicht, sagt er mir. „Klappt alles nicht, müssen das absagen“ - nein, müssen wir nicht. Das klappt alles. Das hat auch Rüdiger gesagt, bei einer Flasche Wein. Das geht alles gut. Sagt auch mein Personal. Sie haben bedenken, mit dem Gelände und mit dem Konzept. Pah, das ich nicht lache. Es ist alles zu 100% ausgefeilt, das Leben ist planbar. Die Menschenmassen auch. Dort und dort lang, sollen sie gehen. Zügig. Nicht wartend. Dann klappt das alles. Zuläufe genug, Wellenbrecher und ein großes Gelände. Das Gelände sei zu klein, für solch eine Veranstaltung, sagen sie. Ach, das paßt schon. Werden ja keine Million Leute gleichzeitig auf der Loveparade sein. Nach und Nach werden auch die letzten Skeptiker überzeugt davon sein, das wir alles richtig gemacht haben. Alles.


Menschen können unter Druck blind werden. Sehen keine Zahlen. Sehen keine Erinnerungen. Erkennen nichts. In Essen waren es knapp 1,2 Millionen Besucher, in Dortmund gar 1,6 Millionen – ganz zu schweigen von Berlin, wo auch fast immer die Millionen Grenze erreicht worden sind. Heutzutage werden alle Zahlen wieder klein geschrieben. Es sollen dann doch nur noch ein Drittel der Personen in Essen und Dortmund gewesen sein. Fuck off! Entschuldigen sie diesen Kraftausdruck. Plötzlich sollen die Zahlen alle inkorrekt gewesen sein, bloß keine Schuld haben an der Katastrophe. Da werden Personen vom eigentlichen Wert einfach wieder abgezogen. Da kommt man sich vor, wie bei den Zahlen der Arbeitsagenturen. „Die sind in Maßnahmen, die zählen nicht mehr als Arbeitslose.“ „Die bekommen 3 Euro pro Stunde Lohn, die zählen auch nicht mehr dazu“ „Die machen eine schulische Weiterbildung, die zählen auch nicht mehr dazu.“

So wie bei der Loveparade, jetzt werden alle Zahlen runtergeschraubt. „Die waren mal kurz hinterm Busch pinkeln, die gehören nicht dazu.“ „Die waren gerade in der Lindenstrasse, die gehört gar nicht mehr zur Loveparade-Strecke, die können wir auch Streichen.“ So schaut es doch aus, Hauptsache die Zahlen sind korrekt, wenn es um Schuld geht, oder um den Schuldigen zu finden. Da werden einfach mal die Zahlen nach unten korrigiert. „Waren nur 100.000 per Zug angekommen, mehr nicht.“ Und die Leute die aus Duisburg kamen, oder auch mit den Auto irgendwo geparkt haben – die werden einfach abgezogen. So ist es doch immer. Bloß die Zahlen nach runter schrauben, keine Schuld haben, Schuld abwehren. Man geht bei Zahlen dann wortwörtlich über Leichen! Das ist das schlimme daran. Es geht um Millionen Euros. Um Schuld. Um Zahlungen an Hinterbliebenen. Plötzlich mag es keiner gewesen sein, der Unrecht hatte, der über Rot gefahren ist. Nein, für einen Moment lang steht die Welt still, man schließt die Augen und man gestaltet die Welt einfach im geistigen Auge um – sag das denen mal, die gestorben sind. Für die steht die Welt für ewig still, da bewegt sich keine Welt mehr, nie wieder. Aber sie sind ja auch nur Zahlen, 21. 21 und ihre engsten Verwandte, Familien. Die Freundin bekommt nichts, sie waren erst 2 Jahre zusammen, die kann man abziehen. Weniger Geld. Günstiger. Die Mutter hat sich nie um ihren Sohn gekümmert, kann man Gelder streichen. Bekommt weniger. Streichen ist gut, Streichen bedeutet weniger Ausgaben. Streichen ist gut. Ich mag nicht der jenige sein, der streicht. Ich könnte so was nicht mit meinen Gewissen vereinbaren. Andere schon. Andere die vorher ganz andere Berechnungen hatten, mit einen Rekordeintrag rechneten, die fangen an zu streichen. „Das war alles einkalkuliert.“ - 21 Menschenleben – einkalkuliert. Kann man streichen...


Der Anruf machte mich nicht nervös, er ärgert mich nur. In 2 Stunden treffen wir uns, an einen Samstag. Ich mag das nicht besonders, meine Frau auch nicht. „Immer bist du unterwegs.“, sagt sie immer. Aber ich glaube, sie liebt mich sowieso nicht. Hat sie wohl nie getan. Halt ist eher Zwang gewesen, aber ich bin froh das ich sie hab. Aber so ganz nehme ich ihr das nicht ab, das sie nicht froh ist, das ich selten da bin. Kann sie in Ruhe weiter rätseln. Ich mache sie nervös, sagt sie immer, wenn ich nur in der Nähe bin. Manchmal sollte man einfach nicht atmen, unsichtbar sein. Das ist auch in der Politik häufiger gut. Unsichtbar sein. Aber ist nicht mein Ding, ich mag das Rampenlicht. Besonders jetzt. Nur diese anstehende Unterhaltung mit den Sicherheitschef. Das nervt. Haben wir schon Tausend mal durchgekaut das Thema, alle Unterlagen tausend mal gesehen. Muss doch irgendwann einmal reichen, das klappt schon alles. Das sie alle solche Bedenken haben, verstehe ich nicht. Aber nun gut, ich werds ihn heute noch ein aller letztes mal ausrichten, die Loveparade wird stattfinden. Komme was wolle. Wird alles gut gehen, hat auch Rüdiger gesagt, bei einer Flasche Wein. Oder warens schon 2? War ein schönes Restaurant, war nicht billig. Hat der Rüdiger alles bezahlt. Hat ja auch Geld genug, kann er ja mal machen. In der Zeit wo ich mir Gedanken gemacht hatte, über das bevorstehende Treffen, hab ich mir schon mal meine Unterlagen aus meinen Schreibtisch geschnappt und meine Mitarbeiter informiert. Sie hassen das an einen Samstag, aber mir fehlen noch Unterlagen. Wir treffen uns gleich noch in meinen Büro. Die meisten haben auch Familie, sehen ihren Vater und ihre Mutter auch nicht so häufig. Aber ist ja auch bald vorbei, nur noch eine Woche. Dann ist der ganze Stress und Druck weg, und dann freuen wir uns alle über eine gelungene Feier. Vielleicht lädt uns Rüdiger noch mal alle ein, zum Wein trinken, in diesen feinen Restaurant. Könnt er ja mal machen. Geld hat er ja. Das wird wieder ein langer Tag, meine Frau ist schon genervt. Sollte Schweinefilet heute geben, mit frischen Gemüse, hatte sie extra schon alles gestern besorgt. Kann nichts dafür, muss erst zur Arbeit. Müssen sie wieder alleine essen, Gaby und meine beiden Söhne. Machen sie eigentlich viel zu häufig, aber kann nichts dafür. Bald – vertröste ich immer meine Frau, bald geh ich in Rente. Lebe von meiner Pension und erfülle uns unsere letzten Lebensträume die wir beide haben. Manchmal denke ich, der Lebenstraum meiner Gaby ist einfach ein großes Sudoko Buch. Aber ich weiß, das sie gerne eine Finca in Spanien hätte. Bekommt sie dann. Nach den Stress haben wir uns das verdient. Ich hätte eh mehr Ruhe verdient, hab ich aber nicht, nicht jetzt. Mein Handy schrillt schon wieder. „Bin ja schon auf den Weg“ - sag ich noch schnell Maria. Maria, die ist toll. Meine linke und meine rechte Hand. Die kann alles, schafft alles. Hat abgesagt für heute, hat mir nur gesagt wo ich alles finde. Ohne Maria finde ich mich hilfloser, aber das klappt schon alles. Maria ist heute in Bremen, bei Verwandten, 70 Geburtstag von ihren Onkel, oder wars ihr Vater? Ich werd auch vergesslicher, wird schon werden- auch ohne Maria. Wäre zwar besser mit Maria, aber man kann ja nicht alles im Leben haben. Auf zum Büro, zu meinen Untertanen wie ich zu sagen pflege, die sicherlich im Hintergrund wieder über mich schimpfen, weil sie Samstag arbeiten müssen, müssen sie durch. Werden auch dafür gut bezahlt. Obwohl sie auch über die Bezahlung schimpfen. Andere bekommen weniger, sag ich immer. Andere bekommen mehr, sagen sie. Das typische Gespräch halt. Sollen froh sein, das sie einen festen Job haben, und das in Duisburg, Das hat längst nicht jeder. Nun aber die Gedanken verdrängt, sie warten sicherlich schon auf mich, wohnen ja näher ran. Die habens nicht weit, leben und wohnen alle noch in Duisburg. Ich liebe mein Duisburg, aber wohnen tue ich in Krefeld. Das meine eigentliche Heimat, aber ist ja nicht weit... fühle mich auch als Duisburger. Schließlich bin ich dort mehr als in Krefeld – bei meiner Frau, die ihr Sudoko Rätsel bei Seite gelegt hat, und nun nach schaut, bis wann die Schweinefilets haltbar sind. Denke, meine Kinder werden auch motzen, haben sich so gefreut über Filets. Und nun gibt es sicherlich wieder nur Nudel, oder ein Reisgericht. Arme Kinder. Müssen auch ein wenig zurückstecken. Gibt es halt morgen die Filets, wird Gaby sie sicherlich vertrösten. Kennen sie schon. Bald sind sie stolz auf mich, bald. Bald muss ich sie nicht mehr vertrösten. Bin am Ende meiner Karriere, ich hab dann mein Lebensziel erfüllt, es ist alles kalkulierbar. Schnell noch Tschüss an allen gesagt, und die Haustür hinter mir geschlossen, wird Zeit das ich zum Büro komme. Ohne Maria. Das wird schwer. Aber machbar. Alles ist machbar. Das wird meine Show im Leben, der I-Punkt meines Schaffens! Alles kalkulierbar.


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